Leseproben

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BUCH 1:


Sieben Schlüssel - Das Erbe der Rebellen

Kapitel 1 – Die Entführung


Levin
Levin wachte auf. Sein Herz raste. Jemand war gerade in sein Haus eingebrochen. Geräuschlos stieg er aus dem Bett und bedeutete seiner Frau, still zu bleiben. Vorsichtig öffnete er die Holztür und schritt in den dunklen Flur hinaus. An der Wand lehnte seine Spitzhacke, mit der er in den Mienen am Kristallhang arbeitete. Er griff nach ihr und schlich nach vorne zum Treppenabsatz. Levin konnte den Wind draußen pfeifen hören und fühlen, wie die Kälte langsam in die Stube drang. Er umfasste den Griff der Hacke und hielt seinen Atem an. Dann ging er hinunter, um nach dem Einbrecher zu sehen. Die alten Holzdielen knarzten verräterisch unter seinen Füßen, was ihm den Schweiß auf seine Stirn trieb. 

Die Tür lag aus den Angeln gerissen am Boden. Er hörte ein metallenes Rascheln, es folgte Stille. Dann rührte sich draußen etwas. Levin atmete tief durch und presste seine verschwitzten Finger um den Holzgriff der Spitzhacke. Vor ihn trat ein Mann, der Mitte zwanzig zu sein schien. Er trug kein Hemd obwohl harscher Winter das Erior Tal regierte. Unter seine Haut waren unzählige Muster gestochen, wie es bei Gefangenen üblich war. Über seine Schulter hatte der Fremde lässig einen kleinen Streitflegel geworfen. Mit einem bedrohlichen Grinsen im Gesicht stand er vor Levin, ehe er sich zum Tisch wandte. Er kippte einen Stuhl zur Seite und setzte sich. Unmittelbar verfinsterte sich die Miene des Fremden.

»Levin, bring mir sofort den Jungen. Es geht um Leben und Tod. Aber nicht um meines, sondern um unser aller«, sagte er kalt, sein Blick war noch finsterer geworden.
Levin wusste nicht was er sagen sollte, zu verwirrt war er von der Erscheinung des jungen Mannes. Noch nie hatte er eine Gestalt wie ihn gesehen. Doch irgendetwas an ihm wirkte bekannt, nahezu vertraut. Als Levin verstand, dass der Fremde seinen Sohn Henry mitnehmen wollte, ging er mit seiner Spitzhacke auf den Tätowierten los. Blitzschnell sprang dieser auf und presste den langen Holzgriff seines Streitflegels gegen den der Hacke. Die Spitze seiner Hacke bohrte sich beinahe in das Gesicht des Fremden. Dieser stieß einen Schrei aus und warf Levin über den Tisch. Ehe er aufstehen konnte, zertrümmerte der junge Mann den Tisch mit seinem Streitflegel. Levin blickte ehrfürchtig auf. Für den Jüngeren schien das ein Leichtes gewesen zu sein. Er stand Furcht gebietend da, in der Hand der lange Holzstab mit der zweigliedrigen Kette, an der die dornenbewehrte Kugel pendelte. Levin hatte noch nie um Leben und Tod kämpfen müssen. Erst recht nicht mit einem aggressiven Jüngling, der voller Tatendrang zu sein schien. Er schloss kurz die Augen und schluckte seine Angst hinunter.

»Schluss! Wenn du mir nicht hilfst, dein Kind in Sicherheit zu bringen, kommen andere Männer. Ausgesandt von einem religiösen Wahnsinnigen namens Salazar. Und die töten deinen Sohn«, sagte der Angreifer einschüchternd.
Seine Augen funkelten als er eine Stahldorne mit seinem Zeigefinger umkreiste. Langsam ging er einen Schritt auf Levin zu. Das Rascheln der Kette war ihm unbehaglich. Seine Hände zitterten, als er in die Augen des fremden Mannes sah. Ich bin doch nur ein Bergknappe. Levin fasste Mut und erhob seine Stimme, die Spitzhacke hielt er schützend vor seinem Körper.
»Du lügst!«, schrie er und machte mit breiter Brust einen Schritt auf den Einbrecher zu.
»Ich lüge nicht! Mein Name ist Ivar Hennes. Denk gut über diesen Namen nach, schau mir ins Gesicht und du wirst dich an mich erinnern«, antwortete sein Gegenüber und streckte ihm seinen Kopf entgegen.
Levin sah den Blonden misstrauisch an. Es traf ihn wie der Blitz.
»Ivar? Was wollen diese Männer?«

Er wusste nicht, ob er dem Mann trauen sollte, schließlich war er gebrandmarkt mit Mustern, die Sklaven und Gefangenen unter die Haut gestochen bekamen.
»Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen, sie sind bereits auf dem Weg«, sprach Ivar verärgert.
»Du wirst mir noch mehr erzählen müssen, damit ich dir Glauben schenke. Aber du siehst dem Ivar den ich einmal kannte durchaus ähnlich«, gab Levin zu.
Er war ernsthaft verblüfft, als er in dem aufgebrachten Gesicht des Fremden die Züge jenes Burschen ausmachte, den er von früher zu kennen vermochte.
»Ich weiß, ich sehe wie ein Verbrecher für dich aus, aber ich bin gekommen um dich zu warnen. Wenn ich dein Kind entführen wollte, wärst du schon längst tot. Jetzt hol deine Familie«, sprach Ivar.

Er hatte dabei solch einen durchdringenden Blick, dass Levin ihm glaubte. Er stieg über die Trümmer des Tisches, die Spitzhacke mit festem Griff umschlungen und lief nach oben. Er rief seine Frau. Sie wartete zitternd hinter einer Ecke, blass vor Schreck. Sie hatte alles mitangehört. Sie traute dem Fremden nicht, doch Levin fürchtete sich vor der vermeintlichen Wahrheit, die sich hinter Ivars drängenden Worten verbarg.
»Ich werde unseren Sohn beschützen und wenn ich dabei sterbe«, sagte Levin entschlossen.
Yvette sah ihn besorgt an und legte ihre Hände auf sein Gesicht. Tränen flossen über ihre Wangen als sie ihn küsste. Er umarmte sie und dann gingen sie in das Zimmer des Kindes. Henry versteckte sich unter seinem Bett, eingehüllt in eine löchrige Decke. Levin holte ihn hervor und nahm ihn in die Arme.

Als sie die Stufen hinunter kamen, erwarteten sie drei weitere Männer. Alle waren in schwarz-rote Lederrüstungen gekleidet, auf denen ein rotes Emblem prangte. Ihre weinroten Umhänge wehten bedrohlich im Wind und boshafte Augen blitzten unter ihren Kapuzen hervor. Die Orte von drei Schwertern funkelten Levin entgegen. Seine Frau erschrak fürchterlich, als sie die Kerle erblickte. Er legte seinen Arm fest um sein Kind und stieg einige Stufen hoch. Ivar stellte sich den Dreien entgegen. Der kleine fette Mann mit der Rüstung trat nach vorn und schien Ivar gar nicht zu beachten.
»Rück den Jungen raus Bauerntölpel, dann lassen wir dich leben«, sagte er mit gleichgültigem Ton. 

Henry weinte und zitterte an Levins Brust, seine kleinen Hände hatte er fest um seinen verschwitzten Hals geschlungen. Seine Frau nahm das Kind und lief nach oben.
»Was wollt ihr von meiner Familie? Verschwindet, ihr Pack!«, schrie Levin.
»Glaub mir, wir wissen alles über dich und dein jämmerliches Leben. Aber wir sind gnädig und erlösen dich gerne davon. Liegt dir jedoch etwas daran, dann übergibst du uns besser den Jungen. Dann wird dir und deiner lieben Yvette nichts passieren«, sagte einer der Eindringlinge scharf.
Er schmunzelte und machte noch einen Schritt auf Ivar zu, die beiden anderen Soldaten folgten ihm.

◆◆◆

Ivar

Ivar setzte sein typisches Grinsen auf. Er streckte seinen Streitflegel vor das Gesicht des Fettsacks. Die Kugel pendelte beängstigend und die Stahldornen glänzten im Feuerschein der Fackel, die einer der Soldaten hielt.
»Ihr Drei solltet euch lieber schleunigst aus dem Staub machen. Das könnte unschön werden, wenn ihr mich noch weiter reizt«, sagte Ivar höhnisch.
Er fuhr sich über den schmalen, silbernen Nasenring, der in seinem Nasenflügel steckte. Die Männer lachten. Ivar liebte es provoziert zu werden, es entfachte seine Entschlossenheit.
»Was will denn dieser halbnackte Kerl? Los jetzt Männer!«
Ivar zögerte nicht länger und ging zum Angriff über. Er attackierte den Vordersten mit einem linken Haken. Sie kämpften sich durch den Raum und Ivar landete einen weiteren Treffer im fetten Gesicht des Mannes, welcher daraufhin zur Tür hinaus fiel. Mit wackligen Beinen richtete er sich auf und wischte sich das Blut vom Kinn. 

»Auf ein Tänzchen, mein Freund?«, rief Ivar und hechtete zur Tür.
»Jetzt hast du es dir verscherzt mein Lieber!«, rief der beleibte Soldat als er hereinkam.
Er packte Ivar am Kopf und schleuderte ihn nach draußen. Ivar rappelte sich auf. Er war unachtsam gewesen. Ich muss alles tun um den Jungen zu schützen. Es reicht ein guter Treffer um den Idioten schachmatt zu setzen, dachte er. Er konzentrierte sich und fixierte sein Gegenüber. Langsam schlichen sie im Kreis, jede Bewegung des Feindes im Auge. Der Fettsack schwenkte angeberisch sein Schwert. Er lachte, wodurch seine neu gewonnene Zahnlücke zum Vorschein kam. Ivar wich einen Schritt zurück, schwang seinen Streitflegel und hämmerte auf den Ausgesandten ein. Der Mann in der Lederrüstung wehrte die Kugel ab. In der Dunkelheit hatte er Ivars tatsächlichen Angriff übersehen. Er duckte sich und trat dem Soldaten die Beine weg. Ivar holte noch einmal schwungvoll aus und zertrümmerte den Oberschenkel des Soldaten. Der Mann schrie vor Schmerz, doch Ivar hatte keine Zeit für Mitgefühl. Er sammelte sich und rannte geschwind ins Haus um Levin beizustehen. Seine Spitzhacke brach gerade in Stücke, als Ivar in den Raum stürmte. Einer der Soldaten lehnte verletzt in einer Ecke, eine lange Blutspur zog sich an der Holzwand entlang. Der andere versuchte Levin zu töten. 

Ivar nahm Anlauf, sprang auf einen Stuhl und rammte den Angreifer. Sie stürzten beide auf die Holzdielen. Ivar schwindelte, er versuchte auf die Beine zu kommen. Überraschend gingen die Kerzen im Raum aus, auch die Fackel erlosch. Eine Eiseskälte durchströmte die Stube und ein ohrenbetäubendes Donnern erschütterte das Tal. Einen Moment lang geschah garnichts, dann kehrte eine beunruhigende Stille ein und das Donnern verhallte. Selbst die Schreie des Verletzten wichen einem leisen Wimmern und verstummten schließlich. Draußen regte sich etwas, dann schlängelte sich eine langgezogene Rauchwolke in den Raum. Was bei den Alten Rebellen ist das? Ivar stand auf, nichtwissend was er tun sollte, geschweige denn was auf ihn zukam. Langsam kroch der Schatten durch den Raum, zittrig sah er aus als er sich auflöste und im ganzen Zimmer ausbreitete. Aus heiterem Himmel traf Ivar ein Schlag in die Seite. Er hustete angestrengt, seine Rippen schmerzten. Ich muss aufstehen und kämpfen! Den Schatten konnte er nicht mehr entdecken. 

Blitzartig hörte er den Rauch vorbeirauschen, kurz danach einen schrecklichen Schrei. Levin! Der Schatten kroch aus Levins Körper, als er auf dem Boden aufschlug. Ivar tappte verwirrt in der Dunkelheit umher. Er hatte vor nichts und niemandem Angst, doch in diesem grauenvollen Moment änderte sich das schlagartig. Ein Kampf gegen etwas Unbekanntes, einen Schatten, stand ihm bevor. Noch nie hatte er Derartiges gesehen oder gefühlt. Eine unbeschreibliche Furcht kroch in ihm herauf, als sich das Wesen näherte. Seine Haut schien sich in Eis zu verwandeln, während ihm gleichzeitig der Schweiß in Perlen auf der Stirn stand. Sein Herz pochte wie wild und die Kette des Streitflegels rasselte in seinen zitternden Händen. Er riss sich zusammen. 

Ivar konnte den Mann neben sich bemerken und schwang seinen Streitflegel. Er traf Holz und holte noch einmal aus. Er erwischte jemanden der daraufhin die Dielen küsste. Der Schatten war wiedergekehrt. Ivar nahm Stellung ein. Er konzentrierte sich auf seinen unförmigen Gegner, bereit ihm den Garaus zu machen. Gemächlich kroch der Schatten durch den Raum, zur Türe hin. Ruckartig schlug er Ivars Richtung ein und fuhr pfeilschnell durch seinen Körper. Ivar stürzte schmerzverzerrt in die Dunkelheit und blieb liegen. Er krümmte sich und all seine Muskeln verkrampften. Ivar rang nach Atem und zuckte, Speichel floss sein Kinn hinab. Seine Augen flackerten noch ein letztes Mal auf. Seine Gedanken waren bei dem Jungen, den er so dringend retten wollte.

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BUCH 2:
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Sieben Schlüssel - Geister der Vergangenheit

Kapitel 1 –Veränderungen

Ivar

Es war nun drei Tage her, dass Ivar Deas Schlüssel aus einem Lederumschlag genommen hatte. Sie hatte keinen Abschiedsbrief hinterlassen oder erwähnt, warum sie gegangen war. Lediglich ein Satz stand im Inneren des Umschlags geschrieben: Hüte sie gut. Jedes Mal wenn Ivar ihre Schlüssel in seinen Händen hielt, fühlten sie sich fremd an, als würden sie ihn abstoßen. Die Widerstandbewegung war im Aufruhr wegen Deas plötzlichem Verschwinden. Der neue Führer des Spähtrupps, Caer Alaris Eriathell, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sie zu finden, war jedoch bis jetzt erfolglos gewesen.
Raye kam soeben als letzter in den Audienzsaal. Cayn hatte die Rebellen und Fiona einberufen, um die Lage zu besprechen.

»Warum habt Ihr mich so dringend hierher beordert? Ihr wisst doch alle, wie ich über die Sache denke«, sagte Raye mürrisch.
»Ich höre deine Meinung lieber aus deinem eigenen Mund, Raye«, entgegnete Cayn freundlich.
»Ich sagte es euch allen von Anfang an. Dea bringt nur Unheil über uns und ich vertraue ihr nicht. Und nun hat sie uns im Stich gelassen, die ehrenhafte Dea, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen.«
Tyr schüttelte verständnislos den Kopf.
»Es ist unverantwortlich von ihr gewesen wortlos zu verschwinden, das stimmt. Aber sie macht eine Veränderung durch. Sie wurde gefangen genommen und es wurde etwas in ihr geweckt, das sie nie an sich selbst sehen wollte. Verstehst du nicht, sie wollte dem Licht dienen, doch die Schatten haben sie wieder eingeholt. Sie muss sich schrecklich fühlen«, sagte der Rhaenar.
»Wir alle machen Schreckliches durch, aber deswegen werfen wir nicht die Schlüssel weg und verschwinden einfach. Ihr könnt sie gerne zurückholen, dann sage ich ihr persönlich, was ich von ihr halte.«

»Rede nicht so über Dea. Wir werden sie finden und wenn nicht, bin ich sicher, dass sie zurückkehren wird«, sagte Ivar angespannt.
»Wenn sie nicht vorher dem gestörten Salazar Bürschchen in die Hände fällt und uns alle umbringt.«
Tyr brachte sich wieder ein.
»Daran lasst uns nicht denken. Wir müssen unsere Streitkräfte mobilisieren und uns gegen einen Angriff von Naerys wappnen. Laut Deas Aussagen ist Arbor geschwächt worden, als sie mit Nika entkam. Wenn wir angreifen wollen, dürfen wir ihm keine Zeit geben, sich zu regenerieren«, schlug er vor.

»Richtig. Caer Alaris und sein Trupp werden weiter nach Dea suchen. In der Zwischenzeit werden Caeres Fiona und ich einen Plan ausfassen, wie wir Arbor in die Knie zwingen. Wir könnten dabei gut Eure Hilfe gebrauchen, Rhaenar Tyr«, sagte Cayn. Er wandte sich wieder an Raye. »Raye, deine Familie wünscht Rache für den Tod deines Bruders. Wir alle hier wollen, dass sein Mörder seine gerechte Strafe erhält. Es liegt an dir. Wir brauchen die Unterstützung deiner Familie, wir brauchen ihr Gold und ihre Schwerter.«
Raye schnaubte verächtlich.

»Vergesst es. Ich brauche ihre Hilfe nicht. Sie würden nicht mir helfen, sie würden es nur für meinen toten Bruder tun. Robyn war zu stolz, um Hilfe zu erbitten. Ich werde nicht für seine Fehler bei meinem Vater angekrochen kommen.«
»Dein Stolz hält dich doch genauso davon ab! Sag mir, wann ist es dazu gekommen, dass Stolz und Ehre wichtiger sind, als die Leben von tausenden von Menschen? Stolz nützt uns nun nichts mehr. Dein Vater hat dreitausend Männer in seinem Heer, die Aergard dringend braucht. Wenn er sein persönliches Gefolge nicht aufgeben möchte, verstehe ich das. Doch dein Vater hat gute Beziehungen, er könnte…«
»Andere ach so reiche Lords überzeugen uns beizustehen? Glaubt Ihr tatsächlich, diese feinen Lords opfern ihre Männer für eine Sache, die sie einen feuchten Dreck interessiert? Sobald sie von den Deamar hören, werden sie uns nicht einmal einen Kupfer-Ara geben, sondern sich in ihren Burgen verschanzen und sich selbst von ihren Männern bewachen lassen. Seid nicht töricht, Caer Livian«, antwortete Raye abschätzig.

»Du lässt uns genauso im Stich wie Dea«, sagte Cayn enttäuscht.
Raye knurrte und verließ den Audienzsaal durch das Fenster. Cayn winkte Ivar und die anderen hinaus und verblieb mit Fiona, um eine Strategie für die kommenden Schlachten auszufassen.
Ivar verschwand wortlos in den Hain der Feste, um Ruhe zu finden. Es war ein heißer Tag, doch niemand wagte sich hierher, um im Schatten der Bäume zu entspannen. Die meisten bedrückte wohl die Gruft, die sich im Hain befand. Nachdenklich setzte er sich ins Gras und blickte den Holzaltar in seiner Nähe an. Es war ein Wanderschrein. Das letzte Mal hatte Ivar einen in den Wäldern von Gor gesehen. Gedankenverloren fuhr er über die Narbe unter dem Schlüsselbein, die er den Dieben zu verdanken hatte. Es kam ihm vor, als wäre das vor einer Ewigkeit gewesen, dabei war es lediglich sechs Monate her.

Vorsichtig öffnete er seinen Lederbeutel. Mit spitzen Fingern holte er Deas Schlüsselpaar hervor. Sie blitzten kühler als die seinen, aber waren schmuckvoller verziert. Wieder überkam ihn das Gefühl, dass er sie weglegen sollte.
»Dea, wo bist du nur«, flüsterte er.
Er nahm plötzlich jemanden hinter sich wahr und fuhr herum.
»Keine Sorge Ivar, ich bin‘s nur. Kann ich mich zu dir gesellen?«, fragte Tyr freundlich.
Ivar nickte träge aber sagte nichts. Der Rhaenar ließ sich gemächlich neben ihm nieder.
»Das sind ihre Schlüssel oder?«
»Es waren ihre.«
»Dea wird wieder kommen. Ich habe mein Vertrauen in sie noch nicht verloren. Sie ist eine von uns«, sprach Tyr in aufheiterndem Ton.
Ivar rupfte unruhig ein Büschel Gras aus.
»Wie soll ich ihr noch vertrauen? Jetzt wo die Schatten über uns hereinbrechen, Robyn tot ist und wir sie am aller meisten brauchen, lässt sie uns im Stich. Sie ist die einzige, die die Schatten vertreiben kann, sie hat ihr Schwert Elendior. Wenn ein Wächter auftaucht, sind wir verloren«, sagte Ivar resigniert.

»Es gibt immer einen Weg, du wirst sehen. Stell dir vor, Dea wäre vor einem halben Jahr nie am Steinernen Bogen aufgetaucht. Dann müssten wir diesen Kampf jetzt genauso ohne sie ausfechten.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, sie nicht zu kennen«, rutschte Ivar heraus.
Tyr überlegte einen Moment, ehe er antwortete.
»Du liebst sie, nicht wahr?«
Ivar spielte mit den Schlüsseln und sagte nichts.
»Ich nehme es dir nicht übel, mein Freund. Es sind harte Zeiten, durch die wir gehen. Klar, dass dir Dea nun fehlt, ihr habt viel Zeit miteinander verbracht. Mir fehlt Robyn auch. Ich brauche seinen Rat mehr als je zuvor, doch ich kann ihn nicht um Hilfe bitten. Wir sind nun unter uns und die Bande zwischen den Rebellen müssen stärker werden. Es darf nicht passieren, dass uns ein weiterer Erih den Rücken kehrt. Also mach bitte nichts Unüberlegtes. Respektieren wir Deas Entscheidung.«
»Ich verschwinde schon nicht, Tyr. Sie würde das ohnehin falsch verstehen, wenn ich ihr hinterherlaufe. Mach dir da lieber Sorgen um Raye. Er scheint noch unberechenbarer als sonst zu sein.«

»Ich denke, ihn nimmt Robyns Tod mehr mit, als er zugeben möchte. Besser wir behalten ihn im Auge und versuchen, ihn wieder unter Menschen zu bringen.«
Ivar nickte bloß.
»Es tut mir leid, dass ich dich hier so zurücklassen muss, aber ich habe einige Strategievorschläge, die ich Cayn und Fiona gerne unterbreiten würde«, sagte Tyr schließlich und verließ den idyllischen Hain.

Am liebsten wäre Ivar im Selbstmitleid versunken, doch das wäre lächerlich gewesen. Tyr, Ella und Raye hatten viel schlimmere Verluste erlitten und er saß hier und starrte Deas Schlüssel an. Mit einem Mal kam er sich dämlich vor. Er sollte jetzt stark sein, denn er war in einer gewissen Weise das Oberhaupt der Rebellen. Der, der sie vereint hatte und nun zusehen musste, dass sie auch vereint blieben. Er nahm sich vor Raye, die nächsten Tage aufzusuchen, um ihm beizustehen. Das alles diente schließlich einem höheren Ziel - Henry Artos zu retten und Salazar zu besiegen.

◆◆◆

Emeos

Emeos trieb sich mit Sagra und Ataxa in den Stillen Wäldern herum. Er wusste, dass er Dea hier nicht finden würde, dennoch hoffte er, dass seine Wölfe ihre Spur aufnehmen konnten. Konzentriert blickte er in die Ferne und hoffte irgendeinen versteckten Hinweis auf ihren Verbleib zu erhaschen. Doch selbst seine geschulten Augen konnten nichts finden. Zu viele Pferde hatten die Spuren verwischt, außerdem hatte es am Vortag geregnet. Als er sich hinunterbückte, um Schwarzkraut abzuzupfen, traf ihn ein stechender Schmerz in der Brust. Er ging auf die Knie und rang nach Atem. In seinem Kopf hörte er wieder das ohrenbetäubende Wolfsgeheul. Seine Haut fühlte sich an, als würde das Blut darunter kochen und er konnte sich kaum noch auf den Knien halten.
»Was geschieht mit mir?«, rief er verzweifelt.

Er versuchte aufzustehen und gegen das Gefühl anzukämpfen. Sein gesamter Körper war angespannt und seine Haut stach, als würden ihn tausend Nadeln durchbohren. Emeos kämpfte gegen den Schwindel an, doch letztendlich umhüllte ihn das Schwarz und er verlor das Bewusstsein. Als er zu sich kam, saß Ataxa starr wie eine Statue vor ihm und durchdrang ihn mit seinen goldenen Augen. Emeos hatte noch nie Angst vor seinen Wölfen gehabt, doch in diesem Moment wäre er am liebsten davon gelaufen. Er rappelte sich auf und blickte um sich. Niemand war hier.
Sagra tauchte plötzlich im Unterholz auf und hatte einen toten Raben in den Fängen.
»Bring das zu mir, Sagra.«

Die Wölfin legte das tote Tier vor seine Füße. Er konnte eine Nachricht daran ausfindig machen. Flüchtig las er die Schrift und lief sofort in die Stadt zurück. Er vergaß, was im Wald mit ihm geschehen war und rannte, bis er an den Toren des Sturmhains angelangt war. Sein Kopf war schwer und er konnte sich kaum erinnern, wie er hierhergekommen war. In der Feste suchte er aufgeregt nach Cayn, der noch immer mit Tyr und Fiona im Audienzsaal saß.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Finn, freundlich wie immer.
»Sagra hat einen toten Raben in den Stillen Wäldern gefunden. Er hatte eine Nachricht an seinem Bein. Seht.«

Emeos gab den Brief an Cayn und dieser las ihn aufmerksam durch.
»Wie es aussieht ist Varyn IX., der Manthor, tot. Der Geistliche Hochrat hat entschieden, dass der Hohe Manar Caeseran Thirian Salazar seinen Platz einnehmen soll. Die Weihung soll in zwei Tagen geschehen«, berichtete der Caer fassungslos.
Fiona riss den Mund auf und ausnahmsweise kam kein Schimpfwort heraus. Sie war genauso verblüfft wie Tyr und Cayn.

»Also hat Caeseran nur lange genug gewartet, um alle von seinem Können und seiner Macht zu überzeugen, bis er den Manthor endlich loswerden konnte. Wie einfach er nach Mithren marschieren und einfach alles niederbrennen konnte, hat sicher seinen Teil zu seiner Machtdemonstration beigetragen. Außerdem ist er sehr reich. Es gibt viele Möglichkeiten, wie dieser gottlose Bastardo es dazu gebracht hat, Manthor zu werden«, giftete Fiona.
»Die offizielle Meldung wird Aergard bald erreichen. Diese war wohl an Naerys Salazar gerichtet«, vermutete Tyr.

»Wir werden warten, was wir in den nächsten Tagen zu hören bekommen. Vielleicht will uns ja jemand einen Streich spielen«, beschloss Finn.
Emeos verließ die Gruppe und wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Sein Herz raste immer noch wie wild und er hatte keine Erklärung für das, was in den Wäldern mit ihm geschehen war.
»Alles in Ordnung?«, fragte Lyras, der gerade mit Lennard um die Ecke kam.
»Mir war nur etwas schwindelig. Es geht schon wieder.«
»Dann komm mal besser mit. In der Stadt findet heute die Einschreibung für das Faustkampf-Turnier statt. Wir wollen sehen, wer mitmacht. Ich würde zu gerne ein paar feinen Leuten eine aufs Maul verpassen«, lachte Lyras.

»Ein Faustkampf-Turnier? Ich habe noch nie gehört, dass es so etwas in Mithren gibt. Buhurte oder Tjoste sind hier beliebter«, entgegnete Emeos überrascht.
»Aber Buhurte und Tjoste sind was für reiche Leute. Bei diesem Turnier kann jeder Bauerntölpel mitmachen. Aber auch hier gibt es einen Einsatz, den man zollen muss. Caeres Fiona hat das Turnier organisiert, weil die Prügeleien in den Tavernen zugenommen haben. Die Leute geben ihr die Schuld an dem ganzen Leid, das Aergard wiederfahren ist. Deswegen will Fiona, dass sich die Bürger abreagieren. Einen Aufstand können wir jetzt nicht gebrauchen«, erklärte Lennard.
»Na dann nimmst du wohl teil oder? Ich meine du hast ja ausgiebig in den Schenken geübt und bist garantiert mitverantwortlich für den dortigen Anstieg der Gewalt«, lachte Emeos.
Lennard stemmte die Fäuste in die Hüfte und grinste hinter seinem struppigen Bart hervor.
»Aber natürlich. Die sollen sehen, wer die meisten verhauen hat. Ich bin nicht umsonst der Publikumsliebling.«

»Sehen wir uns mal lieber deine Gegner an«, sprach Lyras und klopfte ihm auf die Schulter.
Die Massen drängten auf den Markt, denn dort befanden sich einige Stände, wo die Namen der Teilnehmer niedergeschrieben wurden und jeder eine Nummer bekam. Es dauerte eine ganze Weile, bis Lennard und Lyras zu dem Tisch kamen, um sich einschreiben zu lassen.
Emeos beobachtete einstweilen die Menge und suchte nach bekannten Gesichtern. Er entdeckte Ivars desinteressierte Miene, den eigenartigen Viktor Drossos und Lauryn Calderan. Hinter Lennard stand Caer Taron, der vor kurzem dem Bund des schwarzen Sees beigetreten war. Sein Bruder diente mit Caer Tjark der Sicherheit der Stadt. Eloy konnte Emeos jedoch nirgends entdecken.
»Na, schließt du dich auch dem prügelndem Pack an, Emeos?«, sagte eine bekannte Stimme.
Als er sich umdrehte, erkannte er Hadrian Harrachs makelloses Gesicht.
»Ich begleite nur meine prügelnden Freunde. Was ist mit Euch?«, fragte der Waldläufer.
»Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Emeos. Für solche Spielchen habe ich keine Zeit«, entgegnete er und schnaubte höhnisch.

»Warum seid Ihr dann hier?«
»Reine Neugierde.«
»Wenn das nicht unser Großmeister ist!«, rief Lennard und legte den kräftigen Arm um seine Schulter. »Ich wollte schon immer einen Ordensmeister windelweich prügeln. Macht sich bestimmt gut bei den Frauen, wenn ich gegen Euch gewinne. Was sagt Ihr?«
Hadrian löste sich aus seiner Umarmung und sah den Rebellen genervt an.
»Bitte, ich habe …«
»Schiss, ich weiß. Ich verstehe das, wenn Ihr lieber in Eurem Ordenshaus sitzt und Euch mit Männern umgebt, anstatt Euch von Frauen bejubeln zu lassen. Jeder wie er möchte«, zwinkerte Lennard ihm zu.

»Ich suche nicht die Gesellschaft von Männern«, gab Hadrian trotzig zurück.
Lennard hatte ihn genau da, wo er ihn haben wollte und lächelte überlegen.
»Trotzdem habe ich Euch noch nie mit einer Frau gesehen. Schon ziemlich verdächtig. Außerdem gibt es nur eine einzige Frau in Eurem Orden. Und die ist groß und stark wie ein Bär und würde mir wahrscheinlich beim Armdrücken den Arm brechen.«
Emeos musste sein Lachen zurückhalten. Es war zu köstlich, wie Lennard Hadrian vorführte. Die Gesichtsfarbe des Großmeisters änderte sich schlagartig zu einem ansehnlichen mohnblütenrot, er knirschte mit den Zähnen. Dann straffte er die Schultern und gab sich unantastbar wie eh und je.
»Ich weiß schon worauf du hinauswillst, Rebell. Aber gut, so soll es sein. Du wirst sehen, wie viele Frauenherzen mir gehören«, sprach Hadrian voller Selbstvertrauen. Er grinste arrogant und drängte sich durch die Menge. »Aus dem Weg!«, zischte er und rempelte einen Mann zur Seite. Er schrieb sich für das Turnier ein und warf Lennard noch einen herausfordernden Blick zu, ehe er entschwand.
»Pah, dieser aufgeblasene Kugelfisch! Ich hoffe, ich schlage ihm einen Zahn aus, dann war‘s das mit seiner Makellosigkeit«, sagte Lennard und rieb sich die Hände.
»Der Großkotz bekommt immer was er will. Ich glaube du hast keine guten Karten«, meinte Lyras skeptisch.

»Bei den Kämpfen werden größtenteils Bastarde und ihre Weiber hier aufkreuzen. Und diese Leute kennen mich aus den Schenken. Zu wem werden sie eher halten, zu einem Kerl der säuft und vögelt wie sie oder zu einem arroganten Schönling, der einen Dreck auf diese Leute gibt?«
Lyras zog überrascht die Augenbrauen hoch.
»Der Punkt geht dann wohl an dich. Trotzdem musst du ihn im Faustkampf besiegen, das ist kein Beliebtheitswettbewerb.«
»Aber Hadrian wird irritiert sein, wenn die Masse meinen Namen ruft und ihn ausbuht. Es wird mich stärken und ihn schwächen. Ich kenne das aus meinen Tavernen Prügeleien«, sagte Lennard selbstsicher.
»Verlass dich mal nicht zu sehr auf deine Theorie, mein Freund«, meinte Emeos.
»Und? Wen konntest du entdecken?«, fragte Lennard.
»Ivar war hier, aber er wird nicht teilnehmen. Dafür aber Lauryn, Taron und Viktor, dieser Stadtverwalter aus Arbor.«

»Keine Herausforderung also. Wenigstens bleibt noch der Schnösel.«
Die Drei wurden von einem Menschenauflauf abgelenkt. Den Geräuschen und Schreien nach, prügelten sich zwei Leute in der Nähe. Lennard und Lyras konnten natürlich nicht anders und quetschten sich durch die Leute, um näher heranzukommen. Emeos folgte ihnen augenrollend.
»Du hast mir mein Gold gestohlen!«, schrie ein ärmlich aussehender Mann.
»Das habe ich nicht. Du Fettsack hast es wohl verloren!«
Die beiden gingen aufeinander los und der Dicke brach dem vermeintlichen Dieb sogleich die Nase. Mit einem schauderhaften Knacken war es geschehen. Der Mann ging schreiend zu Boden.
»Na warte du Hurensohn!«, schrie er und rappelte sich auf, sein Gesicht war blutverschmiert.
Emeos lief nach vorn, um den Streit zu schlichten. Als der stämmige Mann noch einmal ausholte, trat ein dritter Mann dazwischen und fing den Schlag mit solcher Geschwindigkeit ab, dass Emeos vor Staunen beinahe die Augen aus dem Kopf kullerten.
»Auseinander«, sagte der Fremde in scharfem Ton.
»Willst du dich auch noch einmischen? Verschwinde oder deine Nase ist die nächste!«
»Versuch es. An deiner Stelle würde ich mich einfach umdrehen und gehen.«
Der fettleibige Kerl holte erneut aus, doch der andere fing seine Faust ab und renkte ihm mit einem Ruck den Arm aus.

»Jetzt kannst du gehen oder hast du vor mit der Linken um dich zu schlagen?«, meinte der Streitschlichter kühl.
Die Menge jubelte und die zwei Streithähne gingen getrennte Wege. Der mit dem ausgekugelten Arm schrie und suchte nach jemandem, der ihm diesen wieder einrenkte. Lyras lief zu dem Mann, der den Streit mehr oder minder geschlichtet hatte.
»Das war ganz schön beeindruckend. So jemandem wie dir würde ich gerne im Wettkampf gegenüber treten. Ich hoffe, du nimmst teil?«, fragte der Lorellian neugierig.
Der Fremde musterte Lyras und warf dann einen Blick zu Lennard und Emeos. Er setzte ein tückisches Grinsen auf.
»Nehmen du und deine Freunde etwa auch teil?«
»Nur der breit gebaute Nalahane und ich. Der andere nutzt Gewalt nur als äußerstes Mittel«, erklärte Lyras mit einem verschmitzten Lächeln.
»Dann muss ich es nicht bereuen, mich eingeschrieben zu haben. Es gibt anscheinend doch ein paar würdige Gegner.«

»Aber klar, Lennard und ich haben‘s faustdick hinter den Ohren! Wir gehen jetzt noch ein Horn Bier trinken, schließ dich uns an«, schlug Lyras vor.
»Gut, gehen wir.«
»Wie heißt du eigentlich?«
»Severian Exelion. Und ihr?«
»Ich bin Lyras Scarmante. Ja, du hast richtig gehört, einer der legendären Scarmante Brüder! Das sind Emeos Thalranian und Lennard Norvin. Wir gehören dem Widerstand an. Weswegen bist du in der Stadt?«
Severian zuckte mit den Achseln.
»Ich wollte mein Glück hier versuchen. Ich hörte, die Stadt steht in einem Krieg mit irgendjemandem. Ich habe Lust auf ein Abenteuer«, meinte Severian.
»Also bist du entweder sehr mutig oder einfach nur lebensmüde. Darauf trinken wir«, sagte Lyras und betrat die Schenke.

◆◆◆

Fiona

Es war Abend geworden und Fiona lag nackt in ihrem Bett.
»Bring mir Wein mit.«
Lauryn tat, wie ihm geheißen und legte sich zu ihr. Fiona nahm ihm den Weinbecher aus der Hand. Mit ihrem Fingernagel fuhr sie die Narbe in seinem Gesicht nach. Er hatte sich beim Angriff auf Aergard eine breite Wunde durch einen Schwertstreich zugezogen. Sie war noch nicht ganz verheilt und Fionas Berührung schmerzte ihn. Lasziv nahm sie einen Schluck Wein und leerte ihm ein wenig aus dem Kelch in den Mund.
»Willst du es wirklich tun?«, fragte er sie.
»Ich muss es tun.«

»Aber warum?«
»Ich frage mich, was noch von mir bleibt, wenn mein Selbstvertrauen und meine Keckheit schwinden. Nur Egoismus und Selbstgerechtigkeit. Eine Frau, die nach dem Blut ihrer Feinde lechzt und nichts mehr will, als auf ihren Leichen den Thron zu erklimmen, um nach den Sternen zu greifen.«
»Du bist zu hart zu dir. Alles was du getan hast, diente einem höheren Zweck. Es diente Mithras. Wäre es nicht ein Fehler, das alles wegzuwerfen? Sieh was du erreicht hast«, sagte er und breitete die Arme aus.
»Sieh was ich angerichtet habe. Es muss so sein, für Robyn.«

Lauryn schüttelte müde den Kopf.
»Klingt beinahe so, als hättest du ihn geliebt. Warum sonst würde man so etwas tun?«
Fiona lachte und Lauryn blickte verdutzt drein.
»Du Dummkopf würdest doch auch denken, dass ich dich liebe. Ich habe ihn respektiert. Und meine Wertschätzung ihm gegenüber resultiert in mein Handeln. Ich werde es tun.«
»Ich hoffe du bereust es nicht.«
»Ich bereue ganz andere Dinge«, sagte sie und küsste ihn.


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Vielen Dank für's Lesen! Ich hoffe euch hat es gefallen! :-)
Grüße,
Rayon





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